BAG gewährt auch freien Mitarbeitern Anspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz
29. Juni 2020Professor Dr. Tobias Krug erstmalig Mitautor im Schmid Harz
21. September 2020Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 04. Juni 2020 – 10 Sa 2130/19 – entschieden, dass eine Zeiterfassung per Fingerabdruck-Scanner unzulässig ist und Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet sind, ein Zeiterfassungssystem zu nutzen, welches mittels Fingerabdruck-Scanner funktioniert und damit biometrische Daten verarbeitet.
Die digitale Arbeitszeiterfassung mittels Fingerabdruck ist relativ neu. Hierbei meldet sich der Mitarbeiter durch Abgleich seines Fingerabdrucks mit den im Zeiterfassungsterminal gespeicherten Daten im Zeiterfassungsprogramm an und ab. Hierfür werden aus dem Fingerabdruck sogenannte »Minutien« (individuelle, nicht vererbbare Fingerlinienverzweigungen) mittels eines speziellen Algorithmus extrahiert. Der »Minutiendatensatz« wird im Zeiterfassungsterminal gespeichert und zum Abgleich des Fingerabdrucks verwendet. Nicht gespeichert wird grundsätzlich der Fingerabdruck des Mitarbeiters. Er kann aus den Daten auch nicht wieder generiert werden. Diese Form der Arbeitszeiterfassung soll unter anderem verhindern, dass Mitarbeiter für Kollegen »mitstempeln« und hierdurch Arbeitszeitbetrug begehen.
Datenschutzrechtlicher Schutz nach der DSGVO
Datenschutzrechtlich handelt es sich bei dem »Minutiendatensatz« um biometrische Daten nach Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von § 26 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Gemäß Artikel 9 Abs. 1 DS-GVO ist die Verarbeitung von u.a. biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person aber grundsätzlich untersagt. Allerdings enthält Artikel 9 Abs. 2 DSGVO mehrere Erlaubnistatbestände, bei deren Vorliegen eine Verarbeitung (ausnahmsweise) doch zulässig sein kann. In praktischer Hinsicht von besonderer Bedeutung sind die Erlaubnistatbestände der „Erforderlichkeit“ einer entsprechenden Vereinbarung, das Vorliegen einer dahingehenden freiwilligen „Einwilligung“ bzw. das Bestehen einer entsprechenden „Kollektivvereinbarung“.
Erforderlichkeit nach dem BDSG
Biometrische Merkmale eines Beschäftigten darf der Arbeitgeber nur dann verarbeiten, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses „erforderlich“ ist (§ 26 Abs. 3 BDSG).
Bei einer Zeiterfassung mittels Fingerabdruck sind die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen erheblich beeinträchtigt. Wenn auch vereinzelt Missbrauch von Zeiterfassungssystemen durch Falscheintragungen oder im Falle einer Stempelkarte durch „mitstempeln“ der Kollegen auftreten mögen, so ist dennoch in der Regel davon auszugehen, dass sich die weit überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer rechtstreu verhält, also für eine solche Art von Kontrollen keinerlei Anlass gegeben ist.
Fazit: Zeiterfassung per Fingerprint nur bei konkretem Missbrauchsverdacht
Nur bei konkreten Nachweisen über erhebliche Missbräuche könne eine solche Maßnahme aus Sicht des LAG Berlin-Brandenburg erforderlich sein, was in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt aber nicht gegeben war.