Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer hatten sich in einem Aufhebungsvertrag zur Beendigung Arbeitsverhältnisses unter Wahrung der Kündigungsfrist bei sofortiger unwiderruflicher Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge geeinigt. Der Arbeitnehmer nahm während der unwiderruflichen Freistellung eine Beschäftigung bei einem nicht in Wettbewerb zum Arbeitgeber stehenden Unternehmen auf. Der Aufhebungsvertrag enthielt keine ausdrückliche Regelung zur Anrechnung anderweitiger Einkünfte (doppelter Verdienst) während der bezahlten Freistellung.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt in seiner Entscheidung (BAG vom 23.02.2021, 5 AZR 314/20) zu dieser Situation fest: Es kommt grundsätzlich in Betracht, dass der Arbeitgeber während der bezahlten Freistellung einer anderen Beschäftigung nachgeht, soweit diese nicht in Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber steht. Die dort erzielten Einkünfte muss er sich nicht zwangsläufig auf die noch bestehenden Lohnansprüche beim bisherigen Arbeitgeber anrechnen lassen.
Im vorliegenden Fall kam dem Arbeitgeber jedoch die Vereinbarung einer sog. „Sprinterklausel“ bzw. „Turboklausel“ im Aufhebungsvertrag zur Hilfe. Diese berechtigte den Arbeitnehmer – verpflichtete ihn jedoch nicht – das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber mit kurzer Ankündigungsfrist vorzeitig zu beendigen. Der durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses entgangene Verdienst sollte dem Arbeitnehmer anteilig (z.B. 25% des Monatsverdiensts für jeden vollen Monat) in Form einer zusätzlichen Abfindung abgegolten werden.
Der Arbeitnehmer hat trotz Aufnahme einer neuen Beschäftigung im Freistellungszeitraum von der „Sprinterklausel“ jedoch keinen Gebrauch gemacht. Er sah sich durch die für diesen Fall vereinbarte, nur anteilige Kompensation des entgangenen Verdienstes in Form einer erhöhten Abfindung finanziell schlechter gestellt, als wenn er parallel einfach ein zweites Arbeitsverhältnis beginnt. Die Aufnahme einer weiteren Beschäftigung war ihm, da es sich nicht um eine Konkurrenztätigkeit im Sinne des § 60 HGB handelte, nicht untersagt.
Nach der Auslegung des BAG verfolgten die Parteien mit der „Sprinterklausel“ jedoch den Sinn und Zweck für den Fall, dass der Arbeitnehmer vorzeitig eine neue Beschäftigung findet, für beide Seiten eine finanziell attraktive Lösung zu finden. Der Arbeitnehmer erhält durch die unwiderrufliche Freistellung mit Sonderkündigungsmöglichkeit die Handlungsfreiheit, bei finanziell attraktiven Konditionen kurzfristig eine Anschlussbeschäftigung – auch bei einem Konkurrenzunternehmen – einzugehen. Der Arbeitgeber wird im Gegenzug von der einseitigen finanziellen Belastung der Freistellung bei Fortzahlung der Bezüge angemessen anteilig entlastet. Die Entlastung des Arbeitgebers bei Aufnahme einer vorzeitigen Folgebeschäftigung sollte bei redlicher Betrachtung der Parteiwillen im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages nicht auf den Fall der Aufnahme einer Folgebeschäftigung bei einem Konkurrenzunternehmen beschränkt sein. Vielmehr war mit der “Sprintklause“ stillschweigend eine Regelung für alle Fälle der vorzeitigen Aufnahme einer Folgebeschäftigung gewollt. Der Arbeitnehmer habe daher grundsätzlich ab Aufnahme der Folgebeschäftigung gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber nur noch den Anspruch auf die erhöhte Abfindung.
Weiter betont das BAG jedoch: Dies gilt nicht für die Zeiten in denen dem Arbeitnehmer noch Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche zustehen. Zu Gunsten des Arbeitgebers scheide während des Urlaubs eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes – trotz einer möglicherweise nach § 8 BUrlG urlaubsrechtswidrigen Erwerbstätigkeit – grundsätzlich aus. Ist der Urlaubszeitraum – wie häufig – in der Aufhebungsvereinbarung nicht ausdrücklich festgelegt, entspreche es mit Blick auf die Vereinbarung einer Sprinterklausel regelmäßig den Parteiwillen, den Urlaubsanspruch zu Beginn der Freistellung zu gewähren.
Praxishinweis: Wir empfehlen bei unwiderruflichen Freistellungen in Aufhebungsvereinbarungen neben der Anrechnung von Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüchen auch die Frage der Anrechnung von anderweitig erzieltem Verdienst ausdrücklich zu regeln, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.